Hauptstadtpudel hat geschrieben:Habe ich das richtig verstanden, dass man den Clicker auch "nur als normale positive Verstärkung" nutzen kann?
Und dann gibt es darüber hinaus noch das Shapen?
Könnte ich meinem Welpen alles über das Shapen beibringen?
Was spricht dafür - was dagegen?
Zu deine ersten beiden Fragen:
Du musst unterscheiden zwischen "den Clicker benutzen" und "Clickertraining".
Man kann den Clicker einfach als "Marker" benutzen so wie man bsp. das Wort "fein" benutzt und trainingstechnisch weiterhin konventionell über Locken etc. arbeiten.
Oder man kann echtes Clickertraining, sprich Verhaltensformung/Shaping, machen.
Die Crux an dem Ganzen ist die Bezeichnung - für Verhaltensformung/Shaping hat sich früher die Bezeichnung "Clickertraining" etabliert - einfach weil der Clicker oder eine Art Clicker DAS Hilfsmittel schlechthin für diese Trainingsform ist. Ich bin mir nicht mehr sicher - entweder war es Martin Pietralla oder Birgit Laser - eine(r) der beiden hat in seinem/ihrem Buch über Clickertraining mal geschrieben:
"Man kann einen Clicker in der Hand haben und doch kein Clickertraining machen, genauso wie man umgekehrt Clickertraining machen kann, ohne jemals einen Clicker in der Hand zu haben".
Zu deinen letzten beiden Fragen:
Definiere "alles".
Wenn wir von reiner Ausbildung sprechen, dann JA, das kann man alles mit Clicker beibringen. Ausbildung ist für mich alles was in Richtung "Sitz", "Platz", "Fuß", "Apport", irgendwelche Tricks usw. geht.
Beim Thema Erziehung sieht es anders aus -> Erziehung = stubenrein, allgemeines Verhalten im Haus wie "keine Möbel annagen", "keine Socken zerfetzen", keine Menschenbeine anknabbern" usw., grundlegende Verhaltensweisen ausserhalb, soziale Interaktionen usw.
Da kann es Situationen geben, die man mit Clicker trainieren kann. Es gibt aber auch Situationen, die ich ganz sicher nicht clickern würde. Sanne hat es ja schon erwähnt, wenn ich das richtig im Kopf habe - also, wenn ich nicht möchte, dass mein Hund auf's Sofa geht oder in die Küche oder ..... dann fange ich ganz sicher nicht an, da irgendwie was clickern zu wollen. Da gibt es eine ganz klare, der Situation angepasste Ansage von wegen "Lass das, ich will nicht, dass Du das tust" und Punkt.
Etwas über Shaping beizubringen dauert übrigens NICHT länger als es konventionell beizubringen - und ist auch nicht aufwändiger oder sonst wie.
Es ist nur einfach "anders".
Nehmen wir als Beispiel die prüfungsmässige Fußarbeit.
Halte ich meinem Hund konventionellerweise Futter oder Spieli vor die Nase um ihm Prüfungsfuß beizubringen, so wird dieser Hund bei entsprechend passendem Aufbau recht schnell sehr weite Strecken Fuß gehen "können". Man sieht also sehr schnell "Fortschritte".
Allerdings - der Hund lernt v.a. "Folge dem Leckerlie" - man hat hinterher also im Verhältnis sehr viel Aufwand, die Leckerlies abzubauen.
Bringe ich dagegen meinem Hund Fuß über Shaping mit Clicker bei, sind das am Anfang minimalste Einzelschrittchen. Über die ersten 4-8 Wochen sieht man hier verhältnismässig wenig Fortschritte - zumindest als unbedarfter Beobachter von aussen. Hat der Hund mal so richtig gelernt und korrekt verstanden was ich von ihm möchte, geht es dafür dann recht schnell das Ganze auszubauen.
Die Zeitdauer des Trainings war am Ende also etwa gleich lang. Nur der Weg dahin war ein anderer.
Oder nehmen wir mal einen Trick, der auch im DogDancing häufig zu sehen ist - der Twist, Kreisel, ..... .
Konventionellerweise nimmt man ein Leckerlie und führt den Hund dann im Kreis - ist recht einfach, geht schnell, es dauert nicht lange bis Hund verstanden hat, der Handbewegung zu folgen. Ein paar Minuten und Hund kann das idR - NUR, die Handbewegung wieder abzubauen, das dauert teilweise ewig - oder viele DogDancer bauen die Handbewegung dann halt in die Choreographie mit ein.
Bei Yanta hatte es bsp. ca. 15-20 min gedauert, bis sie es rein über Shaping gelernt hatte, sich einmal komplett im Kreis um die eigene Achse zu drehen.
Dann aber konnte sie es auf Signal und mit etwas mehr zeitlichem Aufwand wäre es dann möglich gewesen, das Ganze auf immer weitere Entfernung anzutrainieren, so dass wir, hätten wir je einen Tanz einstudiert, diesbezüglich auch auf Entfernung hätten arbeiten können.
Klar - dann hätte man idealerweise auch wieder ein Sichtzeichen eingeführt - das hätte dann aber völlig unabhängig sein können.
Wichtig ist beim Shaping, dass man die Einzelschritte wirklich so minimal wählt wie möglich. IdR tun sich Anfänger damit sehr sehr schwer - die Schritte sind meistens viel zu gross.
Typisches Beispiel sind immer diese "Clickerspielchen", die man in Clickerseminaren mit den Teilnehmern macht - bei einem Seminar schlugen die Teilnehmer bsp. vor, dass der "Probant" ein Glas, das beim Spülstein stand, auspülen solle ..... eigentlich eine recht simple Tätigkeit, wenn man das so sagt. Aber man sollte sich mal all die Einzelteile überlegen, aus denen diese "Übung" zusammengesetzt ist - das ist bereits eine Verhaltenskette, und zwar keine einfache.
Der "Probant" muss zunächst mal via Clicker dazu gebracht werden, zum Spülstein zu gehen, dann an den Wasserhahn fassen, Wasser aufdrehen, das Glas in die Hand nehmen und unter den Wasserhahn halten ......
Allein schon das "zum Spülstein gehen" stellte sich dann doch als recht "kompliziert" heraus - allein die Einzelschritte, die dazu nötig waren, den Menschen via Clicker zum Spülstein zu leiten waren weit mehr als nur ein paar Clicks.
Der Vorteil, Hund via Shaping auszubilden ist, dass Hund sich von Anfang an mit einer gewissen Frustration auseinandersetzen muss. Und er muss sein Gehirn einschalten, er muss wirklich verstehen, was man von ihm möchte.
Nachteil (obwohl es mE eigentlich nicht wirklich ein Nachteil ist, es ist eigentlich das, was mir gerade an dieser Ausbildung so besonders gefällt, aber das macht das Shaping halt schwieriger als andere Ausbildungsmethoden) ist, dass man beim Clickertraining mehr als bei allen anderen Ausbildungsmethoden davon abhängig ist, seinen Hund sehr exakt zu beobachten, sich in seinen Hund und sein Verhalten hineinzuversetzen, sich selbst zu kontrollieren, sehr konzentriert bei der Sache zu sein (andernfalls leidet das Timing und man bestätigt dann ziemlich sicher etwas, was man eigentlich gar nicht wollte) und sehr konsequent mit sich selbst zu sein.
Viele Menschen neigen dazu, bei der Hundeausbildung nicht nur "Ja" zu bestätigen, sondern auch "Ja, ABER...!!!!". Das rächt sich u.U. beim Clickertraining sehr schnell und sehr nachhaltig - und ich spreche da durchaus aus eigener Erfahrung

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