Quo vadis Rassehundezucht

hier könnt Ihr Euch über Alles unterhalten. Quasselecke und Hilfeforum

Moderator: Judith

Fluse
Riesen-Nase
Beiträge: 2297
Registriert: Fr Okt 14, 2016 12:29 pm

Re: Quo vadis Rassehundezucht

Beitrag von Fluse »

Zu dem Thema Qualzucht gab es übrigens gerade eine aktuelle Folge im Hundestunde Podcast.
Fand ich persönlich ganz interessant.

Falls jemand Interesse hat: https://open.spotify.com/episode/3Bg4Vqxh4EvQN1lQkQ0W8f
Liebe Grüße von Alina mit Purzel

Benutzeravatar
Hauptstadtpudel
Mega-Super-Nase
Beiträge: 19097
Registriert: So Jun 19, 2011 5:23 pm
Wohnort: Berlin, ZP Jella 09/21 und GP Bolle 06/12 - 07/20
Kontaktdaten:

Re: Quo vadis Rassehundezucht

Beitrag von Hauptstadtpudel »

Gestern habe ich mich im Wartezimmer beim Tierarzt (Jella wurde geimpft) mit einer anderen Hundehalterin unterhalten.
Diese hat eine Freundin in der Schweiz, die Tierärztin ist und erzählte von einer Art der Qualzucht, die ich noch gar nicht so auf dem Schirm hatte.

Nämlich dass Hunde gezielt "dumm" gezüchtet würden. Und das sei besonders bei den Golden Retrievern der Fall.
Ihre Freundin hat regelmäßig Hunde in der Praxis mit Löchern in den Lefzen oder zusammengetackerten Ohren, Verletzungen, die der Hund von "experimentierfreudigen" Kindern zugefügt bekommen hat und die er über sich hat ergehen lassen.

Die Zucht ginge in den letzten Jahren zu einem "familienfreundlichen" Hund, der sich alles gefallen ließe.
Ich war entsetzt.

Ich hatte ja eher die Labradore im Kopf, die ja nicht nur öfter mal durch ihre Distanzlosigkeit auffallen, sondern auch durch das Fressen von Unfressbarem (Steine, Socken etc.), was auch durchaus genetisch bedingt sein kann.
Liebe Grüße von Katja mit Bolle im Herzen & Jella an meiner Seite

Jymmie
Zwerg-Nase
Beiträge: 719
Registriert: Fr Jul 20, 2012 12:27 pm
Wohnort: Saarland

Re: Quo vadis Rassehundezucht

Beitrag von Jymmie »

Wir hatten im Bekanntenkreis die Diskussion über Labradore, die im Endeffekt deshalb auf so verfressen gezüchtet wurden um sie leicht trainierbar und anfängertauglich zu machen. Auch die Distanzlosigkeit gehört da ein bisschen rein.

Ich kenne auch Labradore aus Jagd/Arbeitslinien, die sind weder distanzlos noch übermäßig verfressen.

Der Mensch züchtet sich die Hunde so wie er sie braucht, wo Nachfrage bzw wie der meiste Profit zu machen ist. Liebhaber einer Rasse gibt es natürlich auch.

Finde es auch schlimm, wenn Kinder so lange Zeit unbeaufsichtigt sind um mit dem Hund sowas anzustellen. Klar dass andere Rassen dafür nicht so gut geeignet sind, da die Hemmschwelle sich irgendwann zu wehren deutlich niedriger ist. Der Golden Retriever (Show) ist schon ein bisschen zu einem Kuscheltier verkommen, immer lieb, immer freundlich, immer nett…
Die fehlgeleitete Erziehung und Beaufsichtigung der Kinder und dann noch ein Hund der das mitmacht ist schon ziemlich gruselig. Oft werden auch Stresssignale gar nicht wahrgenommen oder verniedlicht. Konsequenzen gibt es aber nur selten und wenn dann nur für den Hund, der nach der 100. Tackernadel dann doch mal Gegewehr gezeigt hat.

Wobei ich mir manchmal auch so einen treudoofen Hund wünschen würde, wenn die Verknüpfungen bei den Intelligenzlöckchen mal wieder anders laufen als normal :roll:
Viele Grüße von Jenni mit GP Arne, KP Ticci und Tobi für immer im Herzen

Rohana
Mega-Super-Nase
Beiträge: 16063
Registriert: So Jul 25, 2010 11:08 pm
Wohnort: Pfalz - GP Kaba + English Setter-Mix Mika

Re: Quo vadis Rassehundezucht

Beitrag von Rohana »

Ich meine mich zu erinnern, dass ungefähr 2/3 der Labbis genetisch so verändert sind, dass ihnen das Sättigungsgefühl abhanden gekommen ist. Darüber hab ich mal im Zusammenhang mit der Adipositas-Forschung bzgl. Menschen gelesen, wo die Labbis als Beispiel dienten, dass so eine Fettleibigkeit nicht immer daran liegt, dass die Leute 'faul und verfressen' sind (um mal das bösartige Vorurteil beim Namen zu nennen).

Leider Gottes passieren solche Sachen nicht nur, wenn Kinder unbeaufsichtigt sind. Es gibt leider genug Leute, die da auch noch zugucken und nichts unternehmen. :evil:
Liebe Grüße von
Christiane, Mika und Shari

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Bild~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Benutzeravatar
Isi
Mega-Super-Nase
Beiträge: 11814
Registriert: Fr Dez 13, 2013 8:36 am
Wohnort: Hamburg

Re: Quo vadis Rassehundezucht

Beitrag von Isi »

Dieser Aspekt, einen dumm-lieben, gefrässigen Labbi zu züchten - und haben zu wollen, wurde bisher nicht unter Qualzucht diskutiert. Darüber denke ich nach.

Ich denke dabei spontan auch an die Diskussion (allgemein, nicht hier), wie sehr ein Hund in der aktuellen Zeit noch Hund sein darf, oder eher nur noch Kuscheltier sein soll.
Dem würde so eine Züchtung ja zuarbeiten.

Rein inhaltlich:
Ich finde zB auch beim Pudel diese gewisse "Aggressionslosigkeit" im Umgang mit Menschen schon sehr angenehm. (Ich weiß, auch Pudel können beißen oder schnappig sein. Dennoch scheint es mir persönlich rassentypisch, vielleicht auch durch die Pflegeanforderungen gepusht, weil Züchter:innen umgängliche Hunde wünschten/brauchten?
--- Ich sag zB öfter mal "Der Pudel ist ja Kummer gewohnt" und meinte damit "Pflegekummer": Durch die Pflegenotwendigkeit hat "der Pudel" eine gewisse Übung im Aushalten, etwas über sich ergehen lassen, dass an ihm rumgefingert wird... (Klar, Ausnahmen bestätigen die Regel :wink: ) :wink:
- Ich meine damit: Ich mag auch "liebe" Hunde. Die dann zu missbrauchen oder es zu können, steht ja auf einem ganz anderen Blatt! Da ist doch dieser Umgang mindestens so zu kritisieren wie die Frage, ob blöd in die Zucht reingepfuscht wird.
...mit Großpudel Greta *11.5.21 an der Seite und Joy im Herzen.
Vom Glück mit Greta: https://shorturl.at/BCIL7

Benutzeravatar
txakur
Supernase
Beiträge: 3259
Registriert: Mi Jun 17, 2020 8:43 am

Re: Quo vadis Rassehundezucht

Beitrag von txakur »

Naja... ALLE Hunde sind "dümmer" (was das Schlussfolgern betrifft)
https://www.sciencealert.com/your-dog-i ... s-with-you

und duldsamer
https://www.cell.com/trends/cognitive-s ... 22)00018-3
als Wölfe. Die Hunde mit den getackerten Ohren sind also nur die Spitze eines Eisberges von menschengemachten Veränderungen. An der Stelle sind wir letztendlich wieder bei der gleichen Konstellation wie bei der Qualzuchtdebatte: wieviel Modifikation an einem lebendigen Wesen darf der Mensch vornehmen? Was gibt uns das Recht, welche und wie umfangreiche Veränderungen vorzunehmen, oder - "größer" gedacht - was ist "unser Platz" auf diesem Planeten? (Denn Veränderungen an der Umwelt der uns umgebenden Lebensformen, die ihnen das Leben schwer machen sowie deren (Über)Nutzung fallen dann auch gleich in diese Kategorie.)

🤯😵💫
Bild

Benutzeravatar
txakur
Supernase
Beiträge: 3259
Registriert: Mi Jun 17, 2020 8:43 am

Re: Quo vadis Rassehundezucht

Beitrag von txakur »

...womit wir dann beim heutigen Vortrag von Achim Gruber beim Hundekongress wären. Sehr empfehlenswert für alle, die sich Gedanken um dieses Thema machen.
Bild

Rohana
Mega-Super-Nase
Beiträge: 16063
Registriert: So Jul 25, 2010 11:08 pm
Wohnort: Pfalz - GP Kaba + English Setter-Mix Mika

Re: Quo vadis Rassehundezucht

Beitrag von Rohana »

Der Vortrag oder besser noch das Buch sollte Pflichtlektüre für jeden Züchter sein *träum*.
Liebe Grüße von
Christiane, Mika und Shari

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Bild~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Benutzeravatar
txakur
Supernase
Beiträge: 3259
Registriert: Mi Jun 17, 2020 8:43 am

Re: Quo vadis Rassehundezucht

Beitrag von txakur »

Und nachts so? Was machste da? 🥴😵😖
Bild

Benutzeravatar
txakur
Supernase
Beiträge: 3259
Registriert: Mi Jun 17, 2020 8:43 am

Re: Quo vadis Rassehundezucht

Beitrag von txakur »

Hier mein Beitrag aus dem Hundekongress-Thread zur weiteren Diskussion:
Pusteblume488 hat geschrieben:
Sa Nov 18, 2023 8:46 pm
Beim Diagramm bei dem der Chihuahua, so gut abgeschnitten hat, hab ich dann mal kurz pausiert. Fand ich tatsächlich ganz interessant. Der Pudel (toy, standard, miniatur ) war übrigens auch in dem Diagramm angesiedelt. War über den Toy aber verwundert, dass er ähnlich wie der Chihuahua doch so gut abgeschnitten hat.
Das Diagramm ist auch dahingehend ganz interessant, dass es verdeutlicht, dass der Inzuchtkoeffizient alleine nichts darüber aussagt, ob wir es mit einer Qualzucht zu tun haben. Er ist nur eines von mehreren Indizien.

Rein unter biomechanischen und morphologischen Gesichtspunkten hat jeder Hund, der stark von der Morphologie eines Wolfes abweicht (= wesentlich größer oder kleiner, stark veränderter Körperbau (nicht nur in den groben Proportionen (Dackel, Basset, kurznasige Rassen), sondern auch was einzelne Körperteile (Schlappohren, hängende Lefzen, Fellvarietäten)) das Potential eine Qualzucht zu sein. Chihuahuas mit rausfallenden Augen gehören definitiv dazu. Und nicht jede Population mit einem hohen Inzuchtkoeffizienten ist zum sofortigen Tod verurteilt - ihr fehlt (in erster Instanz) erstmal nur die Anpassungsfähigkeit. Beispiel: Gepard. Geparden sind so "ingezüchtet" (auf natürlichem Wege, weil sie vor 10-12.000 Jahren fast ausgestorben waren), dass sie gegenseitig als Organspender dienen können, auch wenn sie auf dem Papier gar nicht verwandt sind. Verändern sich ihre Umweltbedingungen, dann sterben sie aus. Weil keine Geparden mehr dabei sind, die von der aktuellen Norm abweichen und vielleicht Eigenschaften hätten, die für die "neuen" Umweltbedingungen passender wären. Trotzdem sind Geparden keine Qualzucht sondern kommen mit sich selber und ihrer Umwelt erstmal prima klar (solange der Mensch ihnen nicht dazwischenpfuscht). Aber ja, nehmen wir mal den Menschen raus aus der Gleichung: wenn der Mensch nicht wäre, dann wäre in evolutionsbiologischen Maßstäben und Zeiträumen gemessen der Gepard unter den Großkatzen die Art, die statistisch gesehen als erste ausstirbt. Er kann sich nicht mit seiner Umwelt verändern. In der Hundegraphik aus dem Vortrag (hier ist sie nochmal zu finden) wäre das Äquivalent zum Geparden vielleicht so in etwa der Basenji (wobei hier die Frage ist, ob nur "Industrienationen-Basenjis" getestet wurden oder tatsächlich die Dorfhunde im Kongo - dahingehend muss man solche Graphiken IMMER in Frage stellen!): ein robuster, gesunder Hund, der auf eine kleine(?) Ausgangspopulation zurückgeht, aber durch eine strenge Auslese (=muss in Afrika eigenständig überleben und lebt nur in loser Assoziation mit Menschen, so wie es ganz ganz früher überall war) gesund erhalten wurde.

Das Gegenbeispiel wäre der (heutige) Chihuahua: So klein, dass er sich beim Anpusten die Knochen bricht und dabei mit einem Schädel, der a) zu groß und b) so deformiert ist, dass die Augen von selbst rausfallen. Mit den kleinen Hunden, die bei der Ankunft der Conquistadores in Mexiko überall rumliefen, hat das sicher nix mehr zu tun, denn 1. hat der Chi nur noch weniger als 5 % der genetischen Marker, die die ursprünglichen amerikanischen Hunde hatten (= das Genom ist fast völlig ersetzt durch das der Hunde, die aus Eurasien/Afrika da hingebracht wurden) und 2. haben sich auch die Ur-Chihuahuas unter anderem dadurch ernährt, dass sie selber Kleinsäuger & Co. gefangen haben. Dafür mussten sie biomechanisch funktionsfähig sein. Trotzdem hat der Chi einen geringen Inzuchtkoeffizienten. Das gäbe ihm theoretisch das Potential, wieder zu einem gesunden, kleinen Hund gezüchtet werden zu können. Wobei "klein" in diesem Fall ganz sicher nicht meint, dass er 1 kg oder weniger wiegt. Auch Chihuahuas (und ihre toltekischen Vorfahren, die Techichis) waren mal so groß, dass es sich lohnte, sie zu schlachten und zu essen. Das macht ernsthaft erst dann Sinn, wenn wir von einem Tier ab 3 kg aufwärts reden, man muss ja Gedärm, Knochen, Haut und Fell abziehen (Vergleich: Wildkarnickel, 1,5 kg. Hat der Mensch ratz-fatz zum wesentlich schwereren Hauskarnickel gezüchtet, weil die Arbeit bei so kleinem Kroppzeug einfach nicht wirklich lohnt für das bisschen Fleisch - und da fiel immerhin noch ein anständiger Pelz für einen Handschuh bei ab... den kannste ja bei einem Chi vergessen, das wärmt nicht genug). Also: möglichst viele Chis raussuchen mit stabilen Knochen, anständigen Augenhöhlen, vernünftigem Gebiss und ab 2 kg aufwärts. Und dann weiterzüchten, bis man wieder einen Hund von mindestens 3,5 kg hat. Dabei darauf achten, dass die genetische Variabilität hoch, also der Inzuchtkoeffizient gering bleibt. Für den Toy gilt sinngemäß das gleiche - er kann noch davon profitieren, dass man einfach Zwerg- und Kleinpudel einkreuzt bzw. diese unsinnige Einteilung endlich mal aufgibt und den Pudel Pudel sein lässt. Dann könnte man nämlich einfach alle Defektgenträger rausschmeißen aus der Zucht und hätte immer noch mehr als genug Individuen für eine halbwegs gesunde Population.

Die Chance hat der Lundehund am anderen Ende der Grafik halt nicht. Aber dafür sind da ja schon die Züchter - unter wissenschaftlicher und tiermedizinischer Beratung - dabei, durch ein Blutauffrischungsprogramm mittels anderer Rassen die Besonderheiten des Lundehunds zu erhalten und trotzdem wieder eine höhere genetische Variabilität aufzubauen. Das ist ein mühsames Unterfangen, denn wenn ich einen Hund mit fünf Zehen in eine Rasse mit sechs davon einkreuze, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass viele der Welpen nur fünf Zehen haben, recht hoch. Man braucht einen langen Atem und das fehlt den meisten Leuten ja leider.
Bild

Jymmie
Zwerg-Nase
Beiträge: 719
Registriert: Fr Jul 20, 2012 12:27 pm
Wohnort: Saarland

Re: Quo vadis Rassehundezucht

Beitrag von Jymmie »

Es gäbe soviele theoretische Möglichkeiten um (in noch existenzfähigen Rassen) die genetische Vielfalt zu erhöhen.

Man könnte u.A.

-Träger nur noch vereinzelt mit Sondergenehmigung zur Zucht einsetzen
- generell viel mehr Rüden in die Zucht nehmen
- Farben „bunter“ miteinander verpaaren auch Fehlfarben gezielt mit aufnehmen
- Beschränkung der Deckeinsätze zur Vermeidung eines selbstgemachten genetischen Flaschenhalses z.B. drei Würfe eines Rüden im Alter von 2-3 Jahren, danach Deckpause und bei völlig gesunder Nachkommenschaft werden weitere Würfe im Alter zwischen 8-10 nochmal erlaubt.

- Festlegung eines Zuchtwertes der einzelnen Tiere auf Grundlage des eigenen und vererbten Gesundheitszustandes
- viel mehr Monitoring der Würfe und Zuchthunde
Und einiges mehr…

Aber das ist ein Aufwand, der gemeinsam gestemmt werden müsste, sowohl finanziell als auch zeitlich. Ob dazu jemand bereit ist steht in den Sternen
Viele Grüße von Jenni mit GP Arne, KP Ticci und Tobi für immer im Herzen

Benutzeravatar
txakur
Supernase
Beiträge: 3259
Registriert: Mi Jun 17, 2020 8:43 am

Re: Quo vadis Rassehundezucht

Beitrag von txakur »

Ja, die "Leitplanken", die eine verantwortungsvolle Zucht bräuchte, wären eigentlich echt einfach. Vieles ist ja in dem Vortrag genannt worden, auch - und das halte ich für wirklich wichtig! - die Öffnung der Zuchtbücher für passende "Fremdblut"-Hunde, um den Inzuchtkoeffizienten zu verringern. Denn Fakt ist ja: es sind gar nicht so viele Gene, die über die Rassecharakteristika entscheiden und - um mal auf dem bekannten Acker der Lockenhunde zu bleiben - der Lagotto wäre immer noch ein Lagotto, wenn man hie und da einen Perro einkreuzen würde und andersherum. Trotzdem würde es dem Lagotto gut tun - und selbst wenn der Perro in der Inzuchtkoeffizient-Graphik ganz unten steht, gleich neben dem Chi, wäre auch für ihn ein Lagotto mit relativ hohem Inzuchtkoeffizienten ja "Fremdblut" und somit ein Gewinn. Und bei anderen Rassen ist das ja noch wesentlich krasser.

Und was man bei alledem nicht vergessen darf: nur eine einzige Rasse in dieser Graphik ist (noch) so gerade eben in einem Bereich, der noch halbwegs akzeptabel (nicht "gut"!!!) ist - der Sloughi befindet sich auf einem Level, das der Verpaarung von Cousin/Cousine entspricht. Und das übertragt bitte gedanklich mal auf Euer menschliches Umfeld... Wenn alle Menschen sich genetisch so ähnlich wären wie Ihr Euren Cousins und Cousinen. Dass das auf Dauer nicht gutgehen kann, erschließt sich spätestens in dem Moment, wo einem aufgeht, was das bedeutet.
(Und das ist der Sloughi ganz am Ende der Liste - der Lundehund paart sich sozusagen schon fast mit sich selber... :o )
Bild

Benutzeravatar
Pusteblume488
Mini-Nase
Beiträge: 446
Registriert: So Mai 08, 2016 2:35 pm
Wohnort: Im schönen Renchtal

Re: Quo vadis Rassehundezucht

Beitrag von Pusteblume488 »

Jymmie hat geschrieben:
So Nov 19, 2023 11:43 am
Es gäbe soviele theoretische Möglichkeiten um (in noch existenzfähigen Rassen) die genetische Vielfalt zu erhöhen.

Man könnte u.A.

-Träger nur noch vereinzelt mit Sondergenehmigung zur Zucht einsetzen
- generell viel mehr Rüden in die Zucht nehmen
- Farben „bunter“ miteinander verpaaren auch Fehlfarben gezielt mit aufnehmen
- Beschränkung der Deckeinsätze zur Vermeidung eines selbstgemachten genetischen Flaschenhalses z.B. drei Würfe eines Rüden im Alter von 2-3 Jahren, danach Deckpause und bei völlig gesunder Nachkommenschaft werden weitere Würfe im Alter zwischen 8-10 nochmal erlaubt.

- Festlegung eines Zuchtwertes der einzelnen Tiere auf Grundlage des eigenen und vererbten Gesundheitszustandes
- viel mehr Monitoring der Würfe und Zuchthunde
Und einiges mehr…

Aber das ist ein Aufwand, der gemeinsam gestemmt werden müsste, sowohl finanziell als auch zeitlich. Ob dazu jemand bereit ist steht in den Sternen
Ich stimme dir da vollkommen zu. Was ich irgenwie auch so verrückt finde, sind die teilweise willkürlichen Selektionskriterien, die dafür sorgen, dass mit gesunden Tieren (aufgrund falscher Zeichnung, falscher Farbe, Brustflecken) nicht gezüchtet wird. Dazu sollte, für am besten alle Rassen, ein Register der Hunde her, in die Gesundheitsdaten auch eingetragen werden müssen. Dabei sollten es egal sein, ob die Hunde für die Zucht verwendet wurden, oder nur Nachkommen sind. Einfach damit die Lebenserwartung, Tumorneigungen, und spezielle Erkrankungen auch erfasst werden. Aber ich glaube das überschneidet sich mit dem Monitoring der Würfe, dass du meinst.

Benutzeravatar
Isi
Mega-Super-Nase
Beiträge: 11814
Registriert: Fr Dez 13, 2013 8:36 am
Wohnort: Hamburg

Re: Quo vadis Rassehundezucht

Beitrag von Isi »

Ich kopiere es mal vom Kongress-Thema hierhin:
Jymmie hat geschrieben:
Mo Nov 20, 2023 7:05 am
Ich hab die Live-Diskussion gestern gehört und gesehen. Mit gemischten Gefühlen und musste erst mal ne Nacht drüber schlafen.

Am Allerwichtigsten ist die Aufklärung, darüber waren sich alle noch einig.

An sich eine interessant zusammengestellte Runde, bei der ausgerechnet die Praktiker versucht haben auf das große Ganze zu lenken.
Bei der Umsetzbarkeit der Verordnung ist eine Sache aber immer wieder untergegangen. Es ging bei den Kontrollen der Ämter immer um die kontrollierbaren Züchter, Austeller, Hundesportler etc.
Also um die, die organisiert sind, obwohl z.B. die Welpen des VDH eigentlich nur einen geringeren Marktanteil haben. Bei der BH -Prüfung wurde dann mal kurz angeregter diskutiert, aber das im geheimen zu machen mit Strassenteil ohne Zuschauer bringt auch nix, denn den Hund hab ich ja trotzdem in der Öffentlichkeit dabei, poste Fotos und Videos,etc

Eine Registrierungspflicht und einen Herkunftsnachweis bei Übernahme eines Hundes wurden gar nicht angesprochen um den ausländischen „Billigwelpen“ und produzierten geretteten Hunden Einhalt zu gebieten.

Dafür fand ich den Vorschlag der Bestandsaufnahme gut, allerdings müsste der generell bei allen Hundehaltern erfolgen und nicht nur auf die Vereine beschränkt.

Die logische Konsequenz wäre dann gewisse Hunderassen/Typen komplett aus dem Leben in Deutschland zu streichen, mit Bestandsschutz der vorhandenen Exemplare, sodass es 10-15 Jahre später diese Rassen/Typen nicht mehr gibt.

Dann noch die Frage „Wie sehr darf ein Hund sich auf die Pflege seiner Halter verlassen?“ Laut QUEN sollten Hunde wie Wölfe allein draußen klar kommen, dabei wird die Jahrhunderte lange Anpassung an das Leben mit dem Menschen vergessen. Naja…

Das Vibrissenthema ist für mich inzwischen völlig fehl am Platz in diesen Diskussionen. Man lässt Bart stehen oder schneidet sie frei. In Zukunft werden Welpen besser dran gewöhnt oder tragen eben Bart. Ob sie richtig funktionieren ist da erst mal egal. Da gibt es wirklich wichtigere Themen in der Hundezucht.
Man muss wohl auch aufpassen, dass sich nicht eine Seite gegen etwas ausspricht, um selbst ungeschorener davon zu kommen :frech:

Meine Gedanken zum Herkunftsnachweis:
ich bin dafür, weil dann die Möglichkeit einer Rückverfolgbarkeit verbessert werden, sprich Verantwortliche gefunden und damit das von ihnen verursachte Tierleid verringert/eingestellt werden kann.

So wie jedes Auto ein KFZ-Kennzeichen braucht, kann der Chip beim Hund auch verwendet werden.
Und jede Welpe sollte - vielleicht vom Tierarzt, im Impfpass eingetragen, wie auch die Chip-Nr? - einen Ursprungsnachweis bekommen. Also entweder Rassepapiere oder eine Art Attest vom Tierarzt: "privater Wurf", "Tierschutz", "bei xy eingetragene Zuchtstätte",...
Das wäre eine zentrale Datenbank, inklusive Adresse der aktuellen Halter:in.

Ich würde die, die den Hund auf die Welt geschickt haben ebenso wie die, die ihn gekauft haben, in die Pflicht nehmen. Heißt: Ich mache mich grundsätzlich "strafbar" (verstoße gegen das Tierschutzgesetz), wenn ich einen durch seine Zuchtmerkmale gequälten Hund züchte/vermehre oder kaufe oder halte. Die lebenden Hunde hätten äh, "Bestandsschutz" (wie sagt man das zueinem Wesen?)
- Ich habe auch das Gespräch mit der Juristin gehört, das fand ich sehr spannend und konstruktiv!
Das muss letztlich bis auf die Behördenebene runtergebrochen werden, wer zuständig dafür ist, wer was macht, überprüft,... Quasi: Die Inhalte operationalisieren für die damit zusammenhängenden behördlichen Abläufe.

Man hätte so keine Spaltung zwischen kriminellen (= sich bereichernd auf Kosten des Hundwohls) Vermehren und Rassehunden mit (FCI-)Papieren!


2. Baustelle:
a) Konkrete Definition der Qualzuchtmerkmale in jeder Rasse.
Von den Rassezuchtverbänden selbst erarbeitet und aufgesetzt, später mit Amtstierärzt:innen diskutiert. (irgendwer muss darüber entscheiden und es für alle verbindlich fixieren)
b) Problemlösung für jedes unter a) definierte Merkmal. ZB beim Dackel: Gen-Test auf Gen12 (??), damit Zuchtausschluss (Ausnahmegenehmigung sollte es immer geben können). Wer damit züchtet bzw. ohne den Gen-Test züchtet, macht sich des Verstoßes gegen das tierschutzgesetzt strafbar UND erhält eine Sperre (ggf. Ausschluss) im Zuchtverein.
...mit Großpudel Greta *11.5.21 an der Seite und Joy im Herzen.
Vom Glück mit Greta: https://shorturl.at/BCIL7

Rohana
Mega-Super-Nase
Beiträge: 16063
Registriert: So Jul 25, 2010 11:08 pm
Wohnort: Pfalz - GP Kaba + English Setter-Mix Mika

Re: Quo vadis Rassehundezucht

Beitrag von Rohana »

Ja, Isi, so könnte man sicher ein gutes Stück weiter kommen (und bestimmt unterwegs merken, wo dieser Weg noch ausbaufähig ist :roll: :wink: - solche Neuerungen, so tiefgreifende Veränderungen sind einfach schwierig auf die Schiene zu setzen).

Das Interview mit der Juristin hab ich leider nicht geschafft. Dies Jahr ist es echt vertrackt - zu viele Termine, die mir da reingrätschen.
Liebe Grüße von
Christiane, Mika und Shari

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Bild~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Antworten

Zurück zu „Talk und Hilfe“