Jeder einzelne könnte in diesem Verein Mitglied werden und würde damit dieses Heft erhalten. Ich denke daher nicht, dass es irgendwie „geheim“ bleiben müsste. Sollten die Mods ein Problem damit haben, kann gerne gelöscht werden.
Zitat aus der „Info 52“, Dezember 2020, Gesellschaft für kynologische Forschung, Seite 28-31
Abschlussbericht
Haarige Antennen
Lange war umstritten, ob die Tasthaare, auch Vibrissen genannt, im Gesicht des Hundes eine Sinnesfunktion haben. Guido Dehnhardt, Yvonne Krüger und Jenny Byl vom Marine Science Center der Universität Rostock ha- ben nun belegt, dass die Vibrissen von Hun- den niederfrequente Vibrationen detektieren. Die Forscher haben außerdem Unterschiede der Vibrissenzahl und -länge bei mehreren Rassen verglichen und klassifiziert.
Riechleistung, Gehör und auch der Sehsinn des Hundes sind mittlerweile ganz gut er- forscht, die Leistungen der Sinneshaare im Gesicht des Hundes wurden von der For- schung hingegen lange stiefmütterlich behan- delt. Die Rostocker Wissenschaftler*innen haben erste Vermessungen an den Vibrissen verschiedener Rassen durchgeführt. Sie ha- ben sich darüber hinaus mit der wichtigen Frage beschäftigt, ob die Vibrissen im Gesicht des Hundes überhaupt Sinnesfunktionen haben, wie sie bei anderen Tierarten, wie Ratten, Katzen oder Seehunden, bekannt sind. Diese Frage wurde und wird immer wieder heiß diskutiert, weil die Vibrissen im Gesicht der Hunde mancherorts als unschön gelten und abrasiert werden. In dieser Sitte sehen die einen harmlose Kosmetik, für die anderen ist es die Amputation eines Sinnes- organs und damit tierschutzrelevant. In ihrer Studie konnten Dehnhardt, Krüger und Byl nun belegen, dass die Vibrissen des Hun- des die Funktion von Sinnesorganen haben.
Vermessung der Vibrissen
Die Wissenschaftler*innen haben die Vibris- sen bei 14 Hunderassen (s. Kasten) gezählt und gemessen. Um zu Durchschnittswerten zu kommen, wurden je sechs Tieren pro Rasse untersucht. Die Durchschnittswerte inner- halb einer Rasse wurden dann mit den Wer- ten der anderen Rassen verglichen. Darüber hinaus wurde untersucht, ob die Anzahl und Länge der Vibrissen mit Eigenschaften wie Körpergröße, Schnauzenlänge und Schnau- zenumfang, dem Alter, dem Geschlecht und/ oder einer möglichen Kastration korreliert.
Insgesamt wurden die Vibrissen im Schnauz- bereich von 14 verschiedenen Hunderassen gezählt und vermessen: Deutscher Boxer, Teckel, Akita Inu, Beagle, Rhodesian Ridge- back, Deutsch Kurzhaar, Deutsch Langhaar, Epagneul Breton, Kleiner Münsterländer, Magyar Vizsla, Golden Retriever, Labrador Retriever, Whippet.
In die Vibrissenzählung bezogen die Wissenschaftler*innen ausschließlich die Sinneshaare um die Schnauze in der Lippen- region (labiales Vibrissenfeld) und der soge- nannten Schnurrbartregion (mystaziales Vib- rissenfeld) mit ein. Die labialen Vibrissen des Unterkiefers wurden nicht mitgezählt. Bei der Auszählung der Vibrissen aller Hunde kamen sie auf eine durchschnittliche Vibrissenzahl von 60 Vibrissen je Schnauzenseite. Damit ist die Vibrissenanzahl des Durchschnittshundes im Vergleich zum Seehund mit durchschnitt- lich 44 mystazialen Vibrissen pro Schnauzen- seite und zur Ratte mit etwa 30-35 Vibrissen pro Seite verhältnismäßig hoch.
Beim Vergleich der Rassen stellten die For- scher fest, dass Golden Retriever im Durch- schnitt die meisten Vibrissen (fast 70) und die Boxer wenigsten (fast 50) aufwiesen. Die längsten Vibrissen wurden übrigens bei den Hunden gemessen, die über die meisten Sinneshaare verfügten. Die Forscher konnten auch eine Beziehung zwischen Länge der Tasthaare und der Felllänge erkennen. So hatten Golden Retriever nicht nur die meisten Vibrissen, sie hatten auch etwa mit 6,5 cm auch die längsten. Am kürzesten waren die Tasthaare beim Deutsch Kurzhaar, dessen Vi- brissenanzahl unter dem Gesamtdurchschnitt von 60 Sinneshaaren lag.
Der Zusammenhang zwischen Felllänge und Vibrissenlänge lässt sich funktionell gut er- klären: Die Tasthaare müssen länger als Deck- haar sein, um es zu überragen und so mit den Reizen aus der Umwelt in Kontakt zu kommen. Gut bedeckt vom Fell könnten Vibrissen auf die meisten Reize nicht reagieren bzw. die
Das Antwortverhalten des Hundes bei einem auf die Barthaare übertragenen Vibrationsreiz
Berührungsreize durch den ständigen Kon- takt mit dem Haarkleid nicht von Außenreizen unterscheiden.
Vibrationswahrnehmung beim Hund
Vibrissen reagieren auf Außenreize mit Vib- rationen, die auf Nervenenden in den Haar- follikeln übertragen werden. Erst ab einer be- stimmten Reizstärke melden die Nerven den Reiz an das Gehirn und der Hund nimmt wahr, dass seine Vibrissen von außen gereizt wur- de. Die Intensität der Wahrnehmung ist dabei von der Auslenkung der Sinneshaare und dem Frequenzbereich der Vibration abhängig. Je schwächer der Reiz ist, der vom Hund noch wahrgenommen wird, desto sensibler sind seine Tasthaare.
Um die Sensibilität der Vibrissen bei Hunden festzustellen, bestimmten die Forscher Wahr- nehmungsschwellen (Detektionsschwellen). Hierzu testeten sie, bei welcher Auslenkung des Tasthaars (Amplitude) und in welchem Frequenzbereich (Häufigkeit der Auslenkun- gen pro Zeiteinheit) ein Hund die Vibration der Vibrisse wahrnimmt und diese Wahrneh- mung durch ein bestimmtes Verhalten anzeigt sowie, bei welchen Amplituden und Frequen- zen er dies nicht tut.
Hunde auf dem Prüfstand
Die Tests wurden mit zwei eigens trainierten Hunden (Diego und Lolek) durchgeführt. Um objektive und wiederholbare Ergebnisse zu erlangen, setzten die Forscher zur Reizerzeu- gung eine Kombination von Geräten ein, die sich bereits in der Robbenforschung bewährt hatten, aber an die Anatomie und das Verhal- ten der Hunde angepasst wurden. Der Vibra- tionsreiz wurde durch die Schwingungen ei- nes Reizüberträgers, der die Vibrisse berührt, ausgelöst. Getestet wurde die Reaktion auf unterschiedliche Schwingungsfrequenzen in einem Bereich von 5 bis 60 Hz.
Während des Versuchs standen die Hunde frei aber unbeweglich in einer Station, damit der Reizüberträger konstant Kontakt zu den Vibrissen einer Schnauzenseite hatte. Die Tiere waren darauf trainiert, solange stillzu- halten, bis sie tatsächlich einen Vibrations- reiz über die Vibrissen wahrnahmen. Diese Wahrnehmung zeigten die Hunde dann an, indem sie die Station verließen. Damit andere visuelle oder akustische Reize die Tiere nicht irritierten, wurden diese weitgehend ausge- schaltet, zum Beispiel, indem die Tiere eine Strumpfmaske trugen.
Über das „go - no go“ Verfahren wurde sicher- gestellt, dass die Hunde nicht „schummelten“
und ohne Reizwahrnehmung die Station verließen, um eine Belohnung zu ergattern. Beim „go - no go“ Verfahren wurde sowohl das Verlassen der Station bei der Reizwahr- nehmung (go) als auch das Verharren in der Station (no go) belohnt, wenn in dem Versuch kein Vibrationsreiz ausgelöst wurde. Eine Ver- suchssitzung bestand dabei jeweils zu 50 Pro- zent aus „go“ und „no go“ Versuchen. Sobald der Hund diesen Ablauf begriffen hatte und zuverlässig richtig antwortete, startete die Bestimmung frequenzabhängiger Wahrneh- mungsschwellen.
Nur einer der beiden Hunde (Lolek) arbeitete wirklich zuverlässig. Der Hund Diego hatte den Versuchsablauf zwar gelernt, reagierte auf die Reizgebung allerdings nur dann stabil, wenn sie mehr als sechsmal wiederholt wur- de. Die Ergebnisse von Lolek reichten jedoch aus, um die grundsätzlichen Fragen zur Sen- sibilität von Hundevibrissen zu beantworten. Die Detektionsschwelle für die Vibrissenvib- ration ergab sich immer als ein Zusammen- spiel von Frequenz und Amplitude. Bei einer Frequenz von 30 Hz lag die Wahrnehmungs- schwelle bei Lolek bei einer Auslenkungsam- plitude von 53,8 Mikrometern.
Insgesamt wurden acht Schwellen für den Frequenzbereich 5-60 Hz bestimmt. Für nie- derfrequente Vibrationen weist das Vibrissen- system des Hundes geringe Schwellenwerte auf. Der kleinste Wert war 31,8 Mikrometern bei einer Frequenz von 15 Hz. Bei Frequenzen von 50 und 60 Hz stieg der Schwellenwert um den Faktor 3 bzw. 4 an. In einem höheren Frequenzbereich zu testen, erschien deshalb nicht mehr sinnvoll. Der höchste Schwellen- wert lag bei 387,2 Mikrometer für die Fre-
quenz 40 Hz. Diese Messung könnte jedoch dadurch verzerrt worden sein, dass es sich bei 40 Hz um die Resonanzfrequenz des Reizge- bers handelte.
Fazit
Im Vergleich mit Seehunden und Ratten ist die Empfindlichkeit der Vibrissen des hier ge- testeten Hundes deutlich geringer. Sie liegt aber durchaus in einem physiologisch rele- vanten Bereich. Dieses Ergebnis sowie die in anderen Studien erhobenen Daten belegen, dass die Vibrissen beim Hund durchaus als sensible Sinnesorgane zu werten sind.
Die Wissenschaftler*innen ziehen folgende Schlüsse aus ihren Ergebnissen: „Aus der Tat- sache, dass die Empfindlichkeit der Hundevi- brissen für Vibrationen unterschiedlicher Fre- quenz im Vergleich zu denen des Seehundes oder der Ratte geringer ist, kann nicht auf eine geringere sensorische Bedeutung geschlos- sen werden, da davon auszugehen ist, dass die Empfindlichkeit des Sinnessystems an die mit dessen Nutzung verbundene Verhaltens- leistung adaptiert ist. Diese zu identifizieren, muss in weiteren Verhaltensstudien erfolgen.“
Titel des geförderten Projekts
Funktion und Leistung des Vibrissensystems von Hunden
Prof. Dr. rer. nat. Guido Dehnhardt
Dr. rer. nat. Yvonne Krüger
Dr. rer. nat. Jenny Byl
Marine Science Center
Am Yachthafen 3a
18119 Hohe Düne guido.dehnhardt@uni-rostock.de
Ich finde diesen Absatz für unsere Pudel interessant, denn wenn man nicht schert, sind die Vibrissen ja gut mit Fell bedeckt undkönnen damit nicht richtig auf Reize reagieren.
Der Zusammenhang zwischen Felllänge und Vibrissenlänge lässt sich funktionell gut er- klären: Die Tasthaare müssen länger als Deck- haar sein, um es zu überragen und so mit den Reizen aus der Umwelt in Kontakt zu kommen. Gut bedeckt vom Fell könnten Vibrissen auf die meisten Reize nicht reagieren bzw. die
Das Antwortverhalten des Hundes bei einem auf die Barthaare übertragenen Vibrationsreiz
Berührungsreize durch den ständigen Kon- takt mit dem Haarkleid nicht von Außenreizen unterscheiden.