Parasitenbekämpfung

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txakur
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Parasitenbekämpfung

Beitrag von txakur »

Endlich hat mal jemand angefangen, das zu untersuchen. Ist heute erst erschienen, also nur englischer Text verfügbar, vielleicht schreiben ja aber auch deutsche Medien in den nächsten Tagen darüber.

Kurze Zusammenfassung:
Bei einer Studie der University of Sus s e x ist herausgekommen, dass die üblichen Ektoparasiten-Bekämpfungsmittel (insbesondere Fipronil und Imidacloprid, da die sich nicht so schnell abbauen wie die xyz-methrin-Stoffe) Vogelküken töten bzw. den Bruterfolg von Singvögeln stark senken. Warum? Weil die Vögel ihre Nester mit den irgendwo eingesammelten Hundehaaren auspolstern, die stark belastet sind mit den entsprechenden Insektiziden. Und auch wenn die den Elternvögeln selbst nicht schaden (sondern ggf. sogar dafür sorgen, dass deren Parasitenbelastung sinkt = Vorteil. Gab's auch schon mal eine Veröffentlichung dazu, wenn ich mich recht erinnere), können die einem sich entwickelnden Embryo schweren Schaden zufügen.

Empfehlung:
Ektoparasitenbehandlung nur dann, wenn wirklich Bedarf ist, keine ständige Prophylaxe.

https://www.sciencedirect.com/science/a ... 9725000737

Anmerkungen meinerseits:
Diese Ergebnisse haben m. E. besondere Relevanz für städtische Umgebungen. Fipronil und Imidacloprid sind für den Agrarbereich in ihrer Anwendung schon massiv beschränkt und für einige Einsatzgebiete ganz verboten worden. Pyrethroide (xyz-methrin) werden häufig eingesetzt, sind ebenfalls schädlich, aber nicht ganz so langlebig - da ist der "Hunde- und Katzenanteil" an der Umweltbeeinträchtigung verglichen mit dem Agrarsektor geringer, also weniger Einflussmöglichkeit von "unserer" Haustierhalter-Seite. Städtische Bereiche stellen für viele Singvögel mittlerweile einen wichtigen Lebensraum dar, weil ihnen in einer monotonen Agrarlandschaft Lebensräume (Futterpflanzen/-insekten, Nistmöglichkeiten...) fehlen. Und es gibt in der Stadt viele Haustiere. Damit ist dann auch die Belastung mit Fipro und Imi hier relativ gesehen besonders hoch.

Ergo: vor der nächsten Ektoparasitenbehandlung nochmal überlegen, ob die gerade wirklich sein muss, den Hund nicht draußen bürsten und nicht so "nett" sein, den Vögelchen die abgeschorene Wolle zum Nestbau hinzulegen. Was natürlich so auch für "Dorfköter" 😉🤭 gilt.
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Annitante
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Re: Parasitenbekämpfung

Beitrag von Annitante »

Also mal für Laien wie mich :lol:

Ektoparasiten bedeutet ja auch Flöhe und Zecken. Dagegen verwenden viele z.B. ein Seresto-Halsband. Dieses enthält Imidacloprid und Flumethrin. Den ersten Wirkstoff nennt die Studie als gefährdend für den Vogelnachwuchs.

Die Empfehlung ist keine dauernde Prophylaxe zur Ektoparasitenbehandlung.

Aber ist es ernst gemeint, dass wir nichts mehr gegen Zecken tun sollen (wollen?)? Oder ist die Empfehlung dahingehend zu präzisieren, dass die derzeit verwendeten Wirkstoffe mehr hinterfragt werden müssen. Bekannt ist ja bereits die Beeinträchtigung von Mikroorganismen im Wasser.
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Pudeljungs
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Re: Parasitenbekämpfung

Beitrag von Pudeljungs »

Zeckenprophylaxe habe ich bei all meinen Hunden noch nie betrieben und Antiflohmittel kommen schon seit über 20 Jahren nur noch bei Befall zum Einsatz. Zum Glück ist das nicht jedes Jahr der Fall. Die Mittel sind ja auch nicht gut für die Hunde. Aber auch Katzen, vor allen Dingen Freigänger, bekommen diese Mittel. In in der Regel werde diese ja dann auch propylaktisch behandelt . Oder wie machen das die Katzenhalter hier im Forum bei ihren Freigängern?

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txakur
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Re: Parasitenbekämpfung

Beitrag von txakur »

Ich drösel's nochmal auf, hab' den letzten Beitrag unter Zeitdruck geschrieben, weil ich den Mann zum Bahnhof bringen musste...

Pyrethroide (...-methrin)
werden in großen Mengen als Insektizide in der Landwirtschaft, zum Imprägnieren von Teppichen und weiß-der-Henker-was-noch-alles genutzt (kannste letztendlich auch im Baumarkt kaufen, um z. B. Ameisen loszuwerden). Außerdem werden Pyrethroide, wenn sie in den Boden gelangen, dort relativ schnell an dort vorhandene Moleküle gebunden und sind damit erstmal nicht mehr bioverfügbar (dass das trotzdem nicht so toll ist, ist 'ne andere Kiste, aber sei's drum).
Der Versuch, die Pyrethroidbelastung der Umwelt durch Verzicht auf Flohmittel & Co. für Hunde und Katzen zu senken, wäre also eh zum Scheitern verurteilt.

Imidacloprid
darf zum Pflanzenschutz in der EU nur noch in Gewächshäusern verwendet werden (wer aktuellere Infos hat, möge die posten, bitte. Habe jetzt nicht gesucht, ob's da Änderungen gab/gibt), nicht mehr im Freiland. Für die Anwendung in der Tiermedizin ist es aber weiterhin zugelassen (evtl. auch für einige Anwendungen im indoor-Schädlingsbekämpfungsbereich, aber das weiß ich nicht genau). Imidacloprid ist wirklich sehr garstiges Zeug und bedauerlicherweise baut es sich in der Umwelt nur sehr sehr schlecht ab.

Fipronil
andere Stoffklasse als Imidacloprid, aber im Prinzip gelten hierfür alle Dinge, die ich zu Imidacloprid geschrieben habe, ebenfalls. Es wird außer in Tierarzneimitteln auch in Ameisenködern u. ä. verwendet.

Will heißen: in Bereichen mit hoher Hundedichte könnte die Belastung von Vogelnestern mit Pestiziden durch eine möglichst große Reduktion der Verwendung von Fipro und Imi tatsächlich gesenkt werden. (= Stadt: viele Hunde, Zufluchtsraum für immer mehr aus der Agrarlandschaft vertriebene Vogelarten, aber keine "flächendeckende" Pyrethroidanwendung, die für Vögel relevant ist).

Auf Zeckenprophylaxe muss deshalb (fast*) niemand verzichten: Imi wirkt sowieso nicht gegen Zecken. Die erreicht man nämlich am besten über Pyrethroide, weil die eine Repellenswirkung haben - und genau die braucht man, um die Zecken so abzuschrecken, dass sie gar nicht erst an den Hund ranwollen. Fipro wirkt als Kontaktgift gegen Zecken, funktioniert also auch, aber es schreckt die Zecken nicht ab.

*Ausnahme: es gibt Hunde, die (manche) Pyrethroide nicht so gut vertragen. Tosh kommt z. B. mit Scalibor (nur Deltamethrin) nicht klar, bekommt Durchfall davon. Seresto (Imi + Flumethrin) geht. Ich hab' bisher noch kein Halsband nur mit Flumethrin gefunden, das würde ich gerne ausprobieren...
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Hauptstadtpudel
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Re: Parasitenbekämpfung

Beitrag von Hauptstadtpudel »

Ich schränke die Benutzung des Seresto so weit es geht ein.
Sprich, wenn eine Ausflug nach Brandenburg ansteht lege ich es eine Woche vorher für 24/7 an, denn von da hat Jella immer wieder Zecken "mitgebracht".

Solange wir in Berlin unterwegs sind, mache ich keine Prophylaxe. Nun scheinen wir Glück zu haben, dass sie kein Zeckenmagnet ist. Laut unserem TA gibt es etliche Hunde, die auch aus dem Stadtpark Zecken mitbringen :shock: .
Wir sind so gut wie täglich im (Grunde)Wald unterwegs und ... super selten mal ne Zecke.

Sobald die Temperaturen ein Schwimmen zulassen trägt sie keines mehr (schon Wochen vorher nicht), das Zeug macht alle Kleinstlebewesen im Wasser platt.

Das mit den Vögeln wusste ich noch nicht, auch ein Mist.
Für PudelhalterInnen nicht ganz so relevant, weil die Pudel ja äußerts selten mal ein Haar verlieren, aber trotzdem gut zu wissen.

Ganz verzichten möchte ich in Gefahrengebieten aber auch nicht, Bolle hatte ja das Pech und Anaplasmose, das hat mir an Erfahrung mit Zeckenkrankheiten gereicht.
Es ist und bleibt ein Dilemma, das jede/r für sich lösen muss. Ich versuche es mit, soviel wie nötig, so wenig wie möglich.

Vielen Dank für die Info, ich versuche sie weiter zu verbreiten!
Liebe Grüße von Katja mit Bolle im Herzen & Jella an meiner Seite

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txakur
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Re: Parasitenbekämpfung

Beitrag von txakur »

Also mir ist schon klar, dass ich hier im Forum damit offene Türen einrenne, aber ich finde es eigentlich immer gut, wenn möglichst viele Leute nochmal auf die Verpackung gucken und sich dann fragen: brauche ich DIESEN Wirkstoff jetzt? Oder würde es statt eines Kombinationspräparates mit Imi/Fipro vielleicht auch ein Monopräparat (Pyrethroid) tun?
Das ist der eigentliche Grund, warum ich das hier einstelle - es gibt ja viele Leute, die die Wirkung auf Wasserorganismen nicht so dolle interessiert, aber die kann man dann vielleicht mit den süßen Vogelküken überzeugen... :?

Ist ja logisch, dass man seinen Hund so effektiv wie nur möglich schützt, wenn man z. B. Richtung Mittelmeer fährt oder in einer Zeckenhochburg wohnt, wo der Hund vielleicht ständig durch's Unterholz und hohes Gras läuft. Aber ich halte es z. B. auch so, dass die Hunde im Winter gar nichts in dieser Richtung bekommen und erst ab kurz vor unserem Urlaub (meist Frankreich) eine entsprechende Zeckenprophylaxe (Halsband) bekommen, das dann über Sommer dranbleibt. Schwimmen mögen sie ja beide nicht :roll:
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Luise2016
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Re: Parasitenbekämpfung

Beitrag von Luise2016 »

Danke für die Ausführungen, sehr interessant. Ich hatte sofort ein schlechtes Gewissen, habe heute die Hunde draußen geschoren und das Fell für die Vögel auf den Kompost getan. Beide Pudel tragen seit Neujahr Scalibor, da wir in Südfrankreich waren. Außerdem hatte mein Gassihund gerade Flöhe. Wirkstoff Deltamethrin ist aber - wenn ich es richtig verstanden habe - der von den genannten für die Vogelwelt am wenigsten problematisch? Oder sollte man das Fell auf jeden Fall und immer einsammeln?
Viele Grüße von Luise mit Artur und Zappa und dem großen Carl im Herzen

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Iska
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Re: Parasitenbekämpfung

Beitrag von Iska »

Vielen Dank für die Erklärungen.
Ich bin in diesem Jahr auch noch unentschlossen, was „wir“ verwenden sollen… :n010:
viele Grüße
Sybille mit Morris; Fani Flausch, Paule, Olli & Iska im Herzen

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txakur
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Re: Parasitenbekämpfung

Beitrag von txakur »

Naja, dass das Deltamethrin jetzt "besser" ist, würde ich so nicht sagen. Es wird im Boden an andere Partikel gebunden und steht damit nicht mehr "zur Verfügung", außerdem zerfällt es schneller als die anderen Stoffe. Bei den Pyrethroiden ist es halt so, dass die Mengen, die für Hunde verwendet werden, im Vergleich zur GESAMTverwendung relativ gering sind, weshalb ein Verzicht auf Pyrethroide für Haustiere in der Gesamtbilanz nicht wirklich etwas ausmacht. Bei Imidacloprid und Fipronil sieht das ganz anders aus, besonders, wenn man irgendwo wohnt, wo sowieso keine kommerziellen Gewächshäuser herumstehen, aber viele Hunde herumlaufen (= Stadt, halt...).

Aber Pyrethroide (also xyz-methrin) über die Hundewolle direkt in die Nester zu "schaffen" ist sicher auch nicht förderlich für die Eier/Küken (für den Kompost auch nicht, der lebt schließlich auch davon, dass das ganze Gewürms und kleine Insekten ihn weiterverarbeiten).

Warte, ich guck mal eben was...
Imidacloprid:
Der Wirkstoff wird in der Umwelt nur langsam abgebaut. Die Abbaugeschwindigkeit ist von der Intensität des Bodenlebens abhängig. Bei einer Untersuchung war auf bewachsenem Boden innerhalb von 48 Tagen die Hälfte des ausgebrachten Imidacloprids zersetzt, auf unbewachsenem Boden war dieser Zustand erst nach 190 Tagen erreicht. (Wikipedia)

Fipronil:
Fipronil ist ein weißer bis gelblicher Feststoff, der in Wasser praktisch unlöslich ist.[1] Er ist chemisch stabil im pH-Wert-Bereich von 5 bis 7 und zersetzt sich bei einem pH-Wert von 9 langsam (DT50 = 28 Tage) zum Amid.[13] (Wikipedia)
"Chemisch stabil bei pH 5 bis 7" ist ziemlich gleichbedeutend damit, dass es sich im Boden nicht "von selber" zersetzt, denn die allermeisten Böden bei uns haben pH-Werte in diesem Bereich (laut https://www.umweltbundesamt.de/sites/de ... _final.pdf ist die DT50 für Böden 334 Tage.)
(DT50 ist gleichbedeutend mit Halbwertszeit, ist bloß der Begriff, der für den Abbau bei Pflanzenschutzmitteln verwendet wird. DT50 für Imidacloprid wäre also 48 Tage bei bewachsenem Boden und 190 bei unbewachsenem Boden.)

Pyrethroide:
Werden schnell an Partikel gebunden und sind dann inaktiv. Dadurch, dass sie in sehr großen Mengen verwendet werden, sind sie ohnehin ständig und überall in gewissen (bei Analysen oft auch die Grenzwerte überschreitenden :( ) Mengen in der Umwelt vorhanden. Auch die "gebundenen" Pyrethroide und ihre Abbauprodukte sind überhaupt nicht schön, weil auch ihr Vorhandensein natürlich Konsequenzen hat. Aber um das zu ändern, müsste man unsere gesamte Landwirtschaft umkrempeln, das übersteigt alles, was so'n Hundehalter tun kann.
Wenn jemand dazu was lesen will: http://www.oekotoxzentrum.ch/media/1829 ... ide_de.pdf
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Luise2016
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Re: Parasitenbekämpfung

Beitrag von Luise2016 »

Dankeschön. Dann entsorge ich das zukünftig in die Tonne :?
Viele Grüße von Luise mit Artur und Zappa und dem großen Carl im Herzen

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